Winter am anderen Ende der Welt
Es ist Winter auf der Südhalbkugel, und davon bleiben wir auch hier nicht verschont. Afrika klingt nach Sonne, Hitze und irgendwas zwischen Dschungel und Wüste. Das stimmt, und gleichzeitig stimmt es wieder nicht. Momentan frieren wir mehr als sonstwas und die Abende auf dem Balkon liegen auch schon einige Wochen zurück. Immerhin ist hier in knapp drei Wochen Wintersonnenwende.
Zur Einordnung: Der südliche Wendekreis verläuft ziemlich durch den Norden Botswanas. Der nördliche Wendekreis liegt übrigens auf der Höhe des südlichen Ägyptens.
Frost in Botswana
Wir sind also deutlich näher am Äquator als Deutschland, trotzdem merkt man die Jahreszeiten. Die wenigen Laubbäume verfärben sich, es gibt weniger Insekten, es ist kalt. Draußen hat es zwar immernoch ungefähr 20 Grad, aber nachts wird’s richtig kalt bis nah an den Gefrierpunkt – und Isolation ist hier natürlich nicht so gefragt. Es zieht durch Türen und Fenster, das Haus ist nicht gedämmt und die Fenster sind einfach verglast: Morgens ist es ziemlich zapfig im Schlafzimmer und wir sind froh um die extra Decken, die wir im Schrank gefunden haben.
Das wird nun anscheinend so gehen bis Mitte-Ende August, und danach wird’s wieder heiß. Vorerst aber geht hier alles in den Winterschlaf, und es ist wie in Deutschland im Oktober: Die kleinen Viecher suchen die Wärme des Hauses.
Unser neues Haustier
Wir haben deshalb seit einer Woche ein Haustier, die Heuschrecke Holger. Jürgens Kollegin Gao war letztes Wochenende hier zu Besuch und fragte nur völlig verständnislos „Why don’t you kill it??!?!?“, als sie das Vieh auf dem Balkon gesehen hat. Holger war ursprünglich in unser Schlafzimmer geflogen, wo Jürgen dann einen Zweikampf gewonnen und ihn anschließend auf dem Balkon ausgesetzt hat. Als er nach zwei Tagen immernoch da war, haben wir entschieden ihn zu adoptieren.
Darüber hinaus kämpfe ich täglich mit einer Ameisenstraße, die vom Balkon quer durchs Wohnzimmer in die Küche führt. Es ist noch nicht entschieden, wer diese Schlacht gewinnen wird. Die Ameisen kommen tapfer täglich wieder, aber ich bringe sie genauso tapfer täglich um die Ecke.
20 Grad Tagestemperatur bei prallem Sonnenschein sind für uns ja eigentlich ganz gemütlich. Den Batswana hier ist es allerdings zu kalt, die laufen teilweise mit Pudelmütze und dicken Winterjacken rum. Das wiederum ist für uns lustig, aber wenn es hier im Sommer (also November-Januar) erst einmal 40 Grad hat, wird uns das Lachen wohl noch vergehen. Denn mit etwas Glück sind es dann auch eher feuchte 40 Grad. Hier gibt’s sicher kein tropisches Klima, aber wenn es regnet, dann im Sommer und dann richtig. In den zwei Monaten, die ich nun hier bin, hat es exakt zweimal geregnet, und dann auch aus Eimern und was nur runterging.
Regnet es hier eigentlich?
Botswana ist sowieso schon ein trockenes Land und dazu auch noch stark vom Klimawandel betroffen. In den letzten 100 Jahren ist die Durchschnittstemperatur laut Wikipedia um 3°C (!) gestiegen und es gibt so häufig Dürren, dass ich gar nicht richtig ermitteln konnte, ob es in den letzten 10 Jahren eines gegeben hat, in dem es genug geregnet hat.
Regnen sollte es nämlich eigentlich in der Regenzeit von November bis Februar ungefähr an der Hälfte der Tage; ist aber leider nicht der Fall und so sind viele Zucht- und Wildtiere verdurstet.
Natürlich bleiben auch die Menschen nicht verschont. Wasserversorgung ist hier ein riesiges Problem. Nicht umsonst ist die Landesflagge überwiegend wasserblau und heißt die Währung „Pula“ – Regen. Das Wasser wird manchmal tageweise abgestellt, in den Dürrejahren um 2015, 2016 waren es anscheinend teilweise bis zu vier Tage in der Woche, an denen das wechselweise je nach Stadtviertel der Fall war.
Dürre ist hier der Normalzustand
Momentan gibt es keine Dürre, und wir sind ja sowieso unabhängig davon mit Wassertanks versorgt. Ich weiß allerdings nicht, wie das ist, wenn es eben doch wieder schlimm wird. Vor dem Hintergrund macht mich die Bewässerung der Gärten hier in der Truman Show irgendwas zwischen nervös, ärgerlich und traurig, wenn ich sehe wie der Rasen in der prallen Mittagssonne gesprengt wird.
Wasser ist übrigens auch der Grund für den Standort Gaborone. Bei der Unabhängigkeit 1966 suchte man eine Hauptstadt, denn das Protektorat Betschuanaland wurde bis dato vom südafrikanischen Mafikeng aus verwaltet. Gaborone, damals noch „Gaberones“, war 1965 ein Dorf mit 4000 Einwohnern. Der Ort wurde unter anderem gewählt, weil es in der Nähe des Flusses Notwane liegt und somit Wasser zur Verfügung stand.
Schon 1963 hatte man begonnen, den Gaborone Dam zu bauen, um Gaborone aus diesem Stausee zu versorgen. Der See ist etwa 15km² groß. Zum Vergleich: der Tegernsee hat rund 8km², geht also flächenmäßig knapp zweimal rein. In den Dürreperioden der letzten Jahre ist der See allerdings auch um bis zu 75% geschrumpft.
Es ist neu, Winter als sonnig, trocken und staubig zu erleben, wenn ich aus dem Norden Winter als „grau, nass, usselig“ kenne. Das einzige, was gleich ist: Ich friere.