
Lagerkoller
Uns hat der Lagerkoller befallen. Jürgen arbeitet 7 Tage die Woche und irgendwie immer. Ich habe nur meine normalen Arbeitszeiten, dafür aber kein Auto und bin somit nach Sonnenuntergang ziemlich an unsere Truman-Show-Wohnanlage gebunden. Sonnenuntergang ist hier am südlichen Wendekreis derzeit allerdings schon gegen 18 Uhr – deshalb mache ich momentan meistens zwei Mittagspausen, gehe spazieren oder einkaufen und arbeite dann noch eine Runde, um überhaupt mal rauszukommen.
Wegen Corona fehlen mir bisher auch Kontakte. Es gibt einfach kaum Anknüpfungspunkte, jemand kennenzulernen. Volunteering fällt auch flach, dafür, so seltsam das klingt, geht es Botswana zu gut. Ich habe jedenfalls noch keine Organisation gefunden, bei der ich mich einbringen könnte. So beschränkt sich unser soziales Netzwerk auf die internationalen Kollegen aus Jürgens Firma, die zeitweise auch hier in unserer Anlage wohnen.
Ohne Auto ist man hier so aufgeschmissen wie in den USA
Ein weiterer Punkt, der es schwierig macht und den ich schon erwähnt habe: ich habe kein Auto. Jürgen hat momentan noch ein Auto von der Firma, das ich aber nicht fahren darf und das er tagsüber sowieso selbst braucht. Inzwischen kann er zwar ein eigenes kaufen (dafür braucht man nämlich eine Arbeitserlaubnis, die er seit letzter Woche endlich hat), aber nun fehlt die Zeit zum Auto-Shoppen. Ein Mietwagen für mich ist auf Dauer einfach zu teuer, zumal ich mich auch dann vermutlich nicht trauen würde, abends zu fahren: zu viel Verkehr in Form von Ziegen, Eseln und Kühen.
Bliebe der öffentliche Nahverkehr – doch den gibt es dummerweise nicht. Ich glaube, dass Gaborone die erste Stadt ist, in der ich noch keine Busse gesehen habe. Es gibt Fernbusse, die z.B. nach Francistown und nach Südafrika fahren, es gibt auch einen Bahnhof (ich weiß nicht, ob da auch Züge fahren und wenn ja, ob es Personenzüge sind). Aber sonst gibt es keine Tram, U-Bahn, Bus oder was sonst so als ÖPNV durchgeht.
Tricky privater Nahverkehr
Was es gibt, das sind Combis. Das sind kleine Toyota-Minivans, in die so viele Personen reingequetscht werden wie möglich und die bestimmte Strecken abfahren. Das wäre mir ja recht, damit bin ich in Mexiko auch gefahren wie ein Profi. Der Unterschied dort war nur: Es stand drauf, wo das Büslein hinfährt, und es gab in den Städten auch Busbahnhöfe, wo dann Leute rumgelaufen sind und gerufen haben, wohin sie fahren. Das gibt’s hier nicht, keine zentralen Sammelplätze. Auf den Vans stehen so hilfreiche Angaben wie „Route 8, Block 4“. Die Stadtviertel hier sind einfach durchnummeriert. Wo Block 4 ist, kann ich mir also noch erschließen, aber was nun Route 8 ist… keine Ahnung. Ich werde es irgendwann herausfinden und habe mir zum Ziel gesetzt, es einmal zu schaffen, per Combi in die Innenstadt zu fahren. Da gibt’s auch nicht viel, aber dann ist vielleicht die Fahrt das Abenteuer.
An diesem Wochenende war es uns dann zu viel, nach der Quarantäne und überhaupt: Lagerkoller. Wir mussten raus. Nur: wohin? Es ist schwierig in Worte zu fassen, aber hier gibt es einfach nichts. Es gibt keine Museen, keine schöne Innenstadt, keine Ruinen, keine Spazierstrecken, Schlösser, Burgen, Wälder – nichts von dem, was wir in Europa als „Naherholung“ oder Ausflugsziele kennen, existiert hier.
Alles gar nicht so einfach. Ich habe noch an keinem Ort bisher erlebt, dass es so viel „nichts“ gibt. Jedenfalls an keinem Ort mit 250.000 Einwohnern.
Schaffen wir 200 Höhenmeter?
Was es allerdings gibt, ist der Kgale Hill, der Haushügel von Gaborone. Botswana ist insgesamt sehr flach, wobei Gaborone mit 1300 Höhenmetern recht hoch liegt. Jedenfalls kann man auf den Kgale Hill steigen und hat von dort auch eine interessante Aussicht auf die Stadt. Da es nur 200 Höhenmeter Unterschied sind, haben wir uns das letzten Samstag mal vorgenommen – als Auftakt nach Corona. Leider haben wir festgestellt, dass diese 200 Höhenmeter gerade auch das Limit unserer körperlichen Leistungsfähigkeit sind. Aber immerhin, es ging und der Weg war auch sehr schön. Es tat gut, einfach mal wieder zumindest etwas in die Natur zu kommen.
Danach haben wir uns dann ein indisches Essen in der Riverwalk-Mall gegönnt und damit unseren wiederhergestellten Geschmackssinn gefeiert. Das meiste ist inzwischen wieder da, auch wenn ich dem noch nicht ganz traue und es auch noch nicht so intensiv ist wie vorher.
Heute sind wir dann raus aus der Stadt, Richtung Molepolole. Einfach, weil ich den Stadtnamen witzig finde und hinwollte, seitdem ich ihn gehört habe. Zu sehen gibt es auch in dieser drittgrößten Stadt Botswanas nicht so wirklich was, außer dem Markttreiben der Menschen auf den Straßen. Was zugegeben spannend anzusehen ist. Wir sind dann auch noch ein Stück darüber hinaus gefahren, bis nach Letlhakeng. Unterwegs haben wir wieder viele Eselskarren, Esel, Ziegenherden und Kühe gesehen.












Bräute werden nämlich tatsächlich noch in Rind bezahlt, das ist hier ganz normal.





